Spuren, die bleiben: Roman by Janice Steinberg & Edith Beleites

Spuren, die bleiben: Roman by Janice Steinberg & Edith Beleites

Autor:Janice Steinberg & Edith Beleites [Steinberg, Janice & Beleites, Edith]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik, Gegenwartsliteratur
ISBN: 9783404174508
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2016-12-08T23:00:00+00:00


12. KAPITEL

* * *

LIEBE UND TOD

BEI CHAFKIN’S GEHÖRTE ES ZU DANNYS AUFGABEN, DIE Plakate vorm Eingang und drinnen an den Wänden auf dem neuesten Stand zu halten. Er hängte die aktuelle Werbung für Campbell’s Suppen, Maxwell Kaffee oder Palmolive Seife auf und überwachte die Korkwand im Laden, wo die Kunden private Mitteilungen anpinnen durften. In den 1930er Jahren waren das hauptsächlich Zimmerangebote, Suche nach jeder Art von Job und Anzeigen wie »Rosenthal-Service, erstklassiger Zustand, umständehalber zu verkaufen«. Damit diese Korkwand übersichtlich blieb, hatte Eddie Chafkin bestimmt, dass kein Zettel länger als zwei Wochen hängenbleiben durfte, und Danny sortierte diejenigen aus, deren Zeit um war.

Im Laden gab es zwei Stellen – neben der Pinnwand und neben der Kasse –, auf die der Kunde blickte, während seine Einkäufe zusammengerechnet wurden. Dort hängte Eddie Plakate auf, die ihm wichtig waren. Oft waren es regelrechte Kunstwerke mit lächelnden, braungebrannten jungen Leuten, die Ackergeräte oder große Wassermelonen in den Händen hielten und die jungen Pioniere und ihre reiche Ernte im Gelobten Land – damals noch Palästina – darstellten.

Eddie Chafkin war Zionist, das wussten alle in Boyle Heights. Und die meisten fanden es ziemlich verrückt. Wenn du Palmen und Wassermelonen willst, brauchst du dich doch bloß umzuschauen – wir sind hier in Los Angeles!

Wahrscheinlich kann man heute nicht auf diese Zeit zurückblicken, ohne an den Holocaust zu denken. Als die Vereinten Nationen 1947 die Gründung des Staates Israels beschlossen, habe ich geweint, und ich kenne niemanden, der das nicht tat. Aber 1935 galt der Zionismus in Boyle Heights als abseitig und geradezu unamerikanisch.

Tante Sonya sagte einmal: »Hershel Chafkin ist den ganzen Weg von Kiew nach Los Angeles gekommen, hat sich mit seinem Gemüsekarren krummgeschafft und genug gespart, um seinen eigenen Laden zu eröffnen und ihn mit achtundvierzig, als er tot umfiel, seinem geliebten Sohn zu vererben. Aber was ist Eddies großer Traum? In Palästina Bauer zu werden!«

Normalerweise hörte ich gar nicht hin, wenn Sonya über Leute herzog, die gerade nicht in Hörweite waren. Doch auch Papa, der sich stets seiner Objektivität rühmte, regte sich über Eddies Zionismus auf. »Das ›Gelobte Land‹ hat Hershel seinem Sohn doch schon geschenkt, als er dafür sorgte, dass Eddie in Amerika geboren wurde«, sagte er. »Amerikaner zu sein sollte ihn mit Stolz erfüllen. Stellt euch vor, Franklin D. Roosevelt käme nach Boyle Heights und sähe diese Plakate! Er müsste doch den Eindruck bekommen, dass Juden keine loyalen Amerikaner sind!« Glücklicherweise, sagte Papa, dächten nur wenige wie Eddie; die Organisation der amerikanischen Zionisten, der Eddie angehörte, hätte in ganz Los Angeles nur fünfzig Mitglieder.

Alle Erwachsenen, die ich kannte, hatten eine Meinung dazu, und zwar eine negative. Für Mollie, die mir aus den verschiedenen Städten schrieb, in die sie von der Gewerkschaft geschickt wurde, war der Zionismus eine reaktionäre Bewegung, weil er die jüdischen Arbeiter dazu verleitete, sich als Juden zu definieren und nicht als Teil einer vereinten Arbeiterschaft, in der alle möglichen Glaubensrichtungen vertreten waren.

Trotz sentimentaler Anwandlungen bezüglich Eretz Israel, die unseren Zeyde gelegentlich überkamen, hatte auch er nicht den Wunsch, dorthin zu gehen.



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